• Vom Winde verweht

    Ich habe zunehmend den Eindruck, dass aus politischer Korrektheit oder Furcht vor Shitstorms die Geschichte begradigt werden soll; was nicht gefällt, wird aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt. Das betrifft Denkmäler, Straßennamen, Filme, aber auch Wörter. Für mich ein zwiespältiges Ding, denn ich bin dafür, auch bzw. gerade die schlimmsten Erinnerungen wachzuhalten, es geht um Information über und Lernen aus der Vergangenheit.

    Andererseits gibt es einfach sinnlos  beleidigende oder gedankenlose Ärgernisse. Schwierig wird es bei der Bezeichnung von Dingen und Menschen durch Sprache. Sollte Sprache tatsächlich gesäubert werden, damit alles politisch korrekt bezeichnet wird? Und wer am lautesten schreit, entscheidet, welche Begriffe gerade benutzt werden dürfen?

    Rijksmuseum AmsterdamChristophle le MoreNeger bedeutet schwarz, Mohr kommt von Maure, sind das womöglich harmlose Wörter, eigentlich nur dann Schimpfwörter, wenn man die Menschen mit dieser Hautfarbe verachtet? Allerdings fühlen sich Schwarze von den Wörtern tatsächlich beleidigt, was wohl auch der IntentionKleine Loba mit Eltern derer entspricht, die sie benutzen. Kein Wunder, dass sich manche Worthelden der AfD über Schoko- oder Schaumküsse aufregen, offensichtlich gehören Negerküsse für sie zum deutschen Kulturgut. Laut Duden ist das Wort veraltend.

    In einem Museum in Las Palmas, ich glaube, es war das Columbus-Haus, sah ich eine Reihe von Gemälden, die die damaligen spanischen Bezeichnungen für Kinder von Menschen verschiedener Herkunft illustrierten, häufig wurden dazu auch Tiernamen verwendet. Das Kind eines Schwarzen mit einer Indiofrau zum Beispiel hieß Wolf. Obwohl das übelste Rassenideologie ist, sind die Menschen auf den Bildern sehr würdevoll und als liebevolle Eltern dargestellt. Außerdem beweist die Vielzahl dieser Bilder, dass Lust und Liebe sich nicht um Kategorien wie Hautfarbe und Herkunft scheren.

    Die Mohrenstraße samt zugehöriger U-Bahn-Station in Berlin soll nun umbenannt werden, der Name hat auch keinen gesicherten historischen Hintergrund, vielleicht wohnten im 18. Jahrhundert dort in einem Gasthaus oder in einer Kaserne ein paar Afrikaner, die im Zuge des preußischen Versuchs, auch eine Kolonialmacht zu werden, dort gelandet waren. Sicher ist nur, dass die Firma Sarotti ihr Logo von der Adresse abgeleitet hat. Gibt es den Sarotti-Mohr wirklich noch? Ich weiß es nicht, weil ich am liebsten Milka esse. 
    Für die Mohrenstraße gab es schon mal einen Vorschlag, der die Sache schnell, billig und witzig erledigen könnte. Einfach auf jedes O zwei Punkte setzen und mit Hilfe des Umlauts aus der Mohrenstraße eine Möhrenstraße machen.

    Uncle Ben's handgepflückter ReisIn Zukunft sollen die Reisgerichte von Uncle Ben's auch anders benannt werden, bestimmt auch ein anderes Logo bekommen. Nun ist der Reisanbau in den USA tatsächlich eine große Sache, allerdings kommen modernste Techniken zum Einsatz, so dass Uncle Ben schon lange im Ruhestand und das Logo ohnehin verlogen ist. Uncle Ben erinnert auch zu sehr an Uncle Tom, ich bin sehr gespannt, wie die Firma es schaffen will, Namen und Loge zu ändern und dabei doch den Wiedererkennungswert zu behalten. Noch gibt es die Produkte zu kaufen, aber vielleicht ist das schon der Ausverkauf.
    Anders bei der Verfilmung von Margaret Mitchells Roman "Gone with the Wind", dessen deutsche Neuübersetzung schon ein E verloren hatte: Vom Wind verweht. Klingt nicht so harmonisch, aber der Vorwurf an den Film ist ja auch die harmonisierende Darstellung der Sklaverei im Film. Und zack war der Film nicht mehr zu haben oder zu streamen. Angeblich wurde er noch kurz ein Verkaufsschlager bei Amazon, aber ich kann bestätigen, dass er einfach nicht mehr verkäuflich ist. Ich habe kaum noch eine Erinnerung an den Film, aber nun wollte ich ihn mir doch noch einmal ansehen. Zwar finde ich die alte Übersetzung noch in der elterlichen Bibliothek, aber den Film bekam ich nicht, auch nicht bei Thalia, die meine Bestellung doch noch aufgenommen hatten. Natürlich wird der Film irgendwann in Überarbeiteter Fassung wieder auftauchen, ich hoffe aber, es wird nur eine kommentierte, nicht etwa eine geschnittene Fassung sein. Es ist letztlich auch ein Zeitdokument.

    Im Italienischen heißt schwarz "nero" oder "moro", allerdings gibt es auch das verächtliche "negro" in Bezug auf Menschen. Da sei der Begriff der Wahl "uomo di colore". Über das uomo will ich mich hier mal nicht aufregen, interessant finde ich allerdings die erboste Reaktion von Schwarzen in den USA auf Ellen DeGeneres Tweet darüber, dass "people of color"  in den USA schon zu lange Ungerechtigkeiten ausgesetzt seien. Als ob ihnen die echten Rassisten ausgingen.

    Eine kleine Anekdote aus meiner persönlichen Erfahrung. Ich war in den USA in Columbus* / Ohio mit einer dort lebenden Freundin im Auto unterwegs. Sie ist übrigens eine echte Maura und stammt aus dem einzig wahren Morocco. An der Ampel hielt neben uns ein Wagen und sie befahl mir, auf keinen Fall in diese Richtung zu schauen. In dem Auto saßen zwei junge schwarze Männer und meine Freundin meinte, die würden nur darauf warten, sich provoziert zu fühlen und Stunk zu machen. Ja, es ist kompliziert, und dieses Thema wird bestimmt noch vielschichtiger mit der Zeit.
    *Wird die Stadt Columbus sich wohl auch umbenennen, wo doch jetzt die Denkmäler von Columbus gestürzt werden? 


  • Commentaires

    1
    Vendredi 10 Juillet 2020 à 11:06

    ich habe 2004 eine Sarotti-Mohren-Tasse bekommen, sie aber vor langer Zeit in den Keller verbannt.

    Die Banania-Reklame hat sich auch verändert, die lächelnden Soldaten aus dem Senegal des ersten Weltkriegs sollten nicht verhunzt werden. Ich habe ein Müesli-Schüsselchen von Banania, worauf  keine Figur abgebildet ist. Es ist nur gelb und es steht 'tout est bon' drauf. ;-) 

    2
    Samedi 11 Juillet 2020 à 13:36

    Banania hatte ich gar nicht auf dem Schirm, das ist außerhalb von Frankreich wohl nicht bekannt. Aber ja, gutes Beispiel für schlechtes Logo.

    Fuck Kolonialismus

     

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