• Edeka und die Deutsche Bahn

    Ich weiß, mein Blog handelt viel zu oft vom Einkaufen, wenn man bedenkt, wie ungern ich das im Grunde mache und wie eingeschränkt mein Einkaufsradius ist. Aber vielleicht genau deshalb, jeder Einkauf ist ein neuer Aufreger.

    Viel eher sollte ich jetzt Einträge über die Eisenbahn verfassen, habe ich doch meine Ferien genau mit diesem wunderbaren Verkehrsmittel gestaltet. Das kommt noch, bestimmt, aber man muss auch in die Zukunft blicken und an weitere Bahnreisen denken. Das 9-Euro-Ticket läuft langsam aus, die FDP sträubt sich gegen einen Nachfolger, aber die Bahn hat ein Ticket für den Fernverkehr in Umlauf gebracht, das man bei Edeka, Trinkgut und anderen, mir unbekannten, Läden kaufen kann. 

    Soweit, so einfach, es gab ja schon Bahnfahrkarten bei Penny und Aldi, aber dieses ist nicht auf Tage und Uhrzeiten beschränkt und kostet 39,90 €. Nur der Kauf war bei den Discountern einfacher, finde ich. Wieviele Edeka-Läden mag es in Bocholt geben? Ich kenne vier, war auch schon in zwei davon. Der eine, vermutlich kleinste  Edeka ist bei mir um die Ecke, hat eine Poststelle, einen Getränkeladen, eine Fleischtheke und eine Bäckerei im Gepäck, beziehungsweise: hatte. Bäckerei und Metzgerei sind schon geschlossen, bald wird der ganze Laden schließen. Nun tut es mir leid, dass ich öfter über ihn gelästert habe, aber trotzdem, einmal muss ich noch.

    Die Chancen, günstige Bahntickets in Supermärkten zu kaufen, stehen in Bocholt generell besser als in richtigen Städten wie Köln oder Osnabrück. Das mag daran liegen, dass Bocholter ohnehin lieber in Bocholt bleiben und generell schlecht informiert sind. So stellte sich die Situation auch dar, als ich kürzlich in meinem Edeka Tickets kaufen wollte und begeistert feststellte, dass am Ständer mit allerlei Karten für Handys und Gutscheine mindestens zehn Karten für Bahntickets hingen. Beim Einscannen jedoch hatte die Kassiererin ein großes Warndreieck auf dem Bildschirm und wusste nicht weiter. Eine rasch einberaumte Konferenz von drei Verkäuferinnen der Filiale kam zu dem stillschweigenden Ergebnis, dass man sich mit solcherlei Sonderwünschen nicht weiter beschäftigen wollte, und lautstark verkündeten sie sich gegenseitig, dass diese Karten nicht "von oben freigeschaltet" seien und schleunigst aus dem Verkaufsraum entfernt werden müssten. Die Kassiererin drückte mir halbherzig ihr Bedauern aus und ich drohte, dass ich wiederkäme, was ich heute tat. Allerdings war die entsprechende Stelle im Ständer leer und wird es bestimmt auch bleiben. Ob man mit einer Tiefkühlpizza für 1,79 € im Angebot vielleicht doch mehr Gewinn macht als mit einer Pappkarte für 40 €?

    Wie auch immer, auf meinem Weg bzw. Umweg zur Schule gibt es einen anderen Edeka, den ich eher meide wegen der Parkplatzsituation. Aber dort hatte ich vor einiger Zeit bereits zwei Tickets kaufen können, allerdings hängen die dort nicht aus, sondern werden an der Kasse versteckt. Der Verkauf hingegen verläuft reibungslos, wenn man Gnade vor den Augen der Kassiererin gefunden hat.

    Dann gibt es noch einen Edeka an der Stadtgrenze Richtung Niederlande in der Nähe von Schule und Aldi, den ich meide wie der Teufel das Weihwasser. Unsere Studierenden holen sich dort manchmal ihre Pausensnacks, was nicht immer ohne Verkehrsunfälle auf dem Parkplatz abgeht. Aber heute Abend wollte ich das Schicksal herausfordern, fuhr auf den Parkplatz, auf dem es keinen Hinweis auf eine vorgeschriebene Fahrtrichtung gibt, und ja, sofort verursachte ich einen Stau, weil die Parkplätze schräg eingezeichnet sind und man schlecht mit zwei Autos um die enge Kurve mit diversen Ständern für Einkaufswagen, Fahrrädern, Grill- und Gartenartikeln kommt. Es geht, aber das Gegenüber muss auch wollen. Falsch auf die Autobahn gefahren? Peanuts!

    Eine gestandene Bocholterin klopfte an mein Fenster und gab mir kluge Ratschläge. Obwohl ich in solchen Situationen normalerweise eher stur reagiere, tat ich, wie mir geraten, während sie den Verkehr regelte. Es war einfach zu schön, so ganz umsonst einem absurden Theaterstück beizuwohnen und sogar mitspielen zu dürfen. Nett auch der Schlussdialog:
    - Hier steht doch nirgendwo etwas von einer Einbahnregelung.
    - Die brauchen hier kein Schild, das machen alle so.
    - Ich bin zum ersten Mal hier.
    Verzeihendes, wenn auch leicht verständnisloses Nicken, schließlich habe ich ein altes Bocholter Nummernschild.

    Derart bereits auf Krawall gebürstet, betrat ich den mir unbekannten und tatsächlich großzügig dimensionierten Laden, fand zu meinem Entzücken die Karten der Deutschen Bahn am Ständer und holte dann noch ein Tiefkühlprodukt, Milch und Katzenfutter. Ich hielt das für taktisch klug, damit man mich nicht so einfach aus dem Laden verscheuchen konnte. 

    Aldi-Kassiererinnen würden bei Edeka vermutlich ins Koma fallen, so wie deutsche Autofahrer auf fremden Autobahnen auch Qualen erleiden. Vor mir eine junge Dame mit einer einzelnen Weinflasche und soviel Abstand zum Vordermann, dass bei Aldi bestimmt jemand mit seinem Wagen zwischen uns gegrätscht wäre. Hinter mir allerdings eine ältere Dame, die von Abstandsregeln noch nie gehört hatte und mir beim Auflegen der Ware quasi in den Nacken atmete. Dann schob sie ihre Waren noch ein bisschen hin und her, weil die eine Weinflasche vor mir mit Würde und ohne Eile behandelt wurde. Ich aber feierte bereits ein inneres Fest, weil ich wusste, dass sie gleich Zeit hätte, die Joghurtbecher nach Geschmacksrichtungen zu sortieren. Warum bringt Einkaufen immer die schlimmsten Seiten meines Charakters ans Licht?

    Ich sollte Recht behalten. Die Karte der DB löste sofort Ratlosigkeit aus, ich weiß gar nicht, ob die Kassiererin sie überhaupt eingescannt hatte. Jedenfalls fragte sie ihre Kollegin an der Nebenkasse direkt, ob sie "die schon mal gehabt" hätte. Das war nicht der Fall, also erhob sie sich und verließ den Ort, um an höherer Stelle nachzufragen. Die Frau hinter mir war außerordentlich verblüfft, schaute mich an, da ich ja dieses Teufelzeug aufs Band gelegt hatte, und fragte mich, wo die Kassiererin denn hin wäre. Ich erwiderte relativ wahrheitsgemäß und schulterzuckend: "Keine Ahnung". Darauf, dass auch sie mit diesen komischen Karten nichts anfangen konnte, konnte ich mich verlassen. 

    Aber mein absurdes Theaterstück hatte letzlich ein glückliches Ende und ich die Tickets. Wenn man nur lang genug auf Godot wartet, kommt er auch.

     


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  • Commentaires

    1
    hdor
    Lundi 22 Août 2022 à 13:00

    Herrlich! Bocholter Edekas sind eine Reise wert, n'est-ce pas (vor allem,wenn man einen rebellischen Charakter hat und der Sache auf den Grund geht)

    in frz. Läden bekommt man keine Tickets, nicht, dass ich wüsste!

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