-
Morbides Volksfest
Am 8. September ist die Queen gestorben und seitdem herrscht medialer Ausnahmezustand. Das war zu erwarten, schließlich saß sie 70 Jahre lang auf dem britischen Thron und produzierte ein Leben lang bunte Bilder und Geschichten. Die Royals sind teuer für Großbritannien, aber sie sollen dem Land ein Sechsfaches an Einnahmen einbringen.
Ich verstehe, dass man in Großbritannien und speziell in England eine längere Staatstrauer einhält, was ich nicht verstehe, ist die Tatsache, dass auch in Deutschland heute beim Tag der Beerdigung die Flaggen auf Halbmast wehen müssen. Vorige Woche war das bereits in NRW der Fall und an unserer Schule war die Beflaggung aufgezogen. Uns hat das so sehr befremdet, dass wir recherchiert haben, ob es tatsächlich wegen der Queen war. Ich finde diese Symbolik absurd, wo ist das Kriterium? Schließlich war sie nicht unser Head of State. Warum dann eigentlich keine Flaggen für Gorbatschow? Immerhin hatten wir heute nicht schulfrei, um die Trauerfeier zu sehen. Sicher steht sie nachher in allen Mediatheken. Als Adenauer starb, war ich in der Grundschule und wir wurden tatsächlich nach Hause geschickt mit der Auflage, uns die Beerdigung im Fernsehen anzusehen.Was ich persönlich auch nicht verstehe, ist diese kilometerlange Warteschlange in London, wo Menschen zum Teil 30 Stunden anstanden, um einmal am geschlossenen Sarg vorbeizugehen. Nicht mal ein Selfie war drin, in der Schlange wurden den Leuten die Klappstühle abgenommen und so manche fielen um nach stundenlangem Stehen. Wie genau das organisiert war, weiß ich nicht, habe aber gelesen, dass Ebay den Verkauf von Wartebändchen ausgesetzt hat. Wer zahlt denn Unsummen für einen Warteplatz, um am geschlossenen Sarg einer Person vorbeizulaufen, die man nicht einmal persönlich kannte?
Ich muss heute nicht arbeiten und habe deshalb den Fernseher angemacht, um die Trauershow anzusehen. Die Inszenierung ist bombastisch, aber dann kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass der ganze Pomp für eine einzige Person betrieben wird, die das alles ja nicht einmal sehen kann. Sie wusste natürlich lange vorher, was genau geschehen würde und hätte sich nochmal die Bilder von Dianas Trauerfeier ansehen können, aber letztlich gab es doch keine Generalprobe in dem Ausmaß.
Ich finde den Gedanken auch etwas gruselig, dass Elisabeth den Ablauf seit Jahrzehnten kannte und genau wusste, dass man sie zur Konservierung mit einer chemischen Lösung vollpumpen und in einen Bleisarg legen würde. Will man das, so als lebloses Ding eingemauert werden und vermutlich nie verrotten?
Außer den Untertanen sind nun auch offizielle Vertreter aus Staaten der ganzen Welt anwesend. So viele, dass sie sich in Bussen zur Kirche bringen lassen mussten, was so einigen gar nicht passte. Aber es gab nur drei Ausnahmen, der amerikanische Präsident, der israelische Premierminister und der Kaiser von Japan. Hier sitzt also wegen einer alten Frau ohne politische Macht die politische Elite der Welt auf einem Haufen, der feuchte Traum eines jeden Terroristen. Vielleicht erfährt man im Nachhinein, welche Sicherheitsmaßnamen ergriffen wurden.
Die Kameras haben übrigens nur ausgewählte Staatsoberhäupter gezeigt, darunter mehrfach Emanuel Macron mit seiner Frau. Beide mit Grabesmiene, was bei dem Anlass nicht so sehr auffällt, aber die anderen Paare in den Kirchenbänken haben sich unterhalten oder beim Einzug Händchen gehalten. Nicht so die Macrons. Ob da eine Ehekrise im Busch ist?*
Ich habe meine Besta gefragt, ob heute in Frankreich auch geflaggt wird, sie wusste es nicht, aber es war darüber gesprochen worden. Die Franzosen haben ja seit Louis XVI und Marie Antoinette ein anderes Verhältnis zur Monarchie als die Briten. Dennoch wurde darauf hingewiesen, dass nicht die Queen, sondern Louis XIV, der Sonnenkönig, die längste Amtszeit als Monarch hatte.
Ich hatte ja gehofft, dass am Schluss zum letzten Mal noch "God save the Queen" gesungen würde, so als Abschiedsgruß und frommer Wunsch für die Ewigkeit, aber nein, God save the King. Man muss sich wohl daran gewöhnen.
* Vielleicht ist Macron auch nur angefressen, weil Westminster Abbey so groß und prächtig ist, während Notre Dame abgebrannt und geschlossen ist. Oder er will seinem laizistischen und republikanischen Volk zeigen, dass er hier nur widerwillig und aus Pflichterfüllung anwesend ist. Aber ich tippe auf Ehekrise.
___________________________________________________________________
Am Nachmittag habe ich nochmal den Fernseher angemacht und sehe, dass das Programm immer noch das gleiche ist, die Leiche wird weiterhin durch die Gegend getragen und gefahren.
Ich habe das erste Programm angeschaltet, wahrscheinlich läuft das Programm mit unterschiedlichen Kommentaren auf allen Kanälen. In der ARD wird erfreulich wenig dummes Zeug gequatscht, allerdings können sie es nicht lassen, selbsternannte AdelsexpertInnen und verhinderte Adelige zu engagieren, in diesem Fall Leontine von Schmettow, von Beruf Königshaus-Expertin. Leontine ist aber gut erträglich, daneben haben sie noch eine Dame, die nun so gar nicht an ein Mikrophon gehört. Eine Stimme wie ein Reibeisen, wenn die Moderatorin nicht ab und zu ihren Namen gesagt hätte, wäre ich mir sicher, dass ein alter Mann spricht. Vielleicht Corona, vielleicht zuviel geraucht, jedenfalls hustet sie die ganze Zeit und kriegt es nicht mit, dass alles am Mikro zu hören ist. So flüstert und röchelt sie im Glauben, nicht gehört zu werden, lässt Wasser sprudeln und versucht ab und zu etwas zu sagen, was aber dann aus sinnlosen und überwiegend kurzen Bemerkungen besteht. Als die Moderatorin sie fragt, welche anderen königlichen Personen sie erkannt hätte, stottert sie rum, kennt keine Namen und sagt dann sowas wie "die Belgier und die Schweden sowieso". Ich glaube, inzwischen hat man ihr das Mikro weggenommen oder sie aus dem Studio getragen.
Tags : Queen, Macron, Großbritannien, Beerdigung
-
Commentaires