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Merz und Melnyk, Kleve und Kyiv
Ein Monat Abstinenz von meinem Blog, was ein bisschen daran liegt, dass einem angesichts der Ereignisse fast zu viel einfällt, es einem aber gleichzeitig die Sprache verschlägt.
Dabei habe ich Glück, dass ich mich mit alltäglichen Dingen wie Abiturkorrekturen und Vorbereitung eines Tages der offenen Tür an der Schule beschäftigen muss und nicht mit Bomben auf meine Wohnung. Und sowieso ist jede Woche Muttertag.
Derweil nahen die Ferien und damit die Frage nach geeigneten Reisezielen. The place to be ist im Moment wohl Kyiv, das Verkehrsmittel der Wahl ist die Bahn, die gerade ohnehin im Aufwind liegt. Klar, Benzin und Diesel für Autos sind viel zu teuer, Volltanken für die Rückfahrt geht wohl auch nicht, Fliegen ist nicht realistisch, weil die Russen direkt am Anfang ihrer Spezialaktion die Flughäfen bombardiert haben und auch keine Hemmungen haben, Flugzeuge abzuschießen.
Überhaupt haben sie wenig Hemmungen, sogar dem Generalsekretär der Vereinten Nationen haben sie eine Begrüßungsrakete nach Kyiv geschickt. Umso beeindruckter kann man sein, dass sich todesmutige Politiker wie Friedrich Merz nach Kyiv begeben, obwohl er ja eigentlich nicht Bundeskanzler ist und Deutschland gar nicht vertreten kann. Möglicherweise ist ihm das nicht so klar, wie überhaupt die CDU noch ein bisschen Zeit braucht, um zu realisieren, dass sie nicht regiert. Ist das überhaupt legal?
Dabei ist Merz nicht der einzige, der meint, er würde hier den Ton angeben. Auch der Botschafter der Ukraine tut sich sehr hervor mit Forderungen und besonders mit harscher Kritik. Inzwischen kippt die Stimmung von Standing Ovations im Parlament und Umarmungen in Richtung einer leicht genervten Empfehlung, auch mal innezuhalten.
Warum ist Herr Melnyk als Chefdiplomat seiner Botschaft denn aber so undiplomatisch? Ich habe im Deutschlandfunk vor einiger Zeit gehört, dass der ukrainische Präsident seine Botschafter zurückruft, wenn sie nicht hart genug Unterstützung für die Ukraine einfordern, so geschehen mit der Botschafterin in Marokko. Vielleicht also mag Herr Melnyk einfach Deutschland nur so sehr, dass er unbedingt hier bleiben möchte. Ein echtes Dilemma.
Olaf Scholz hat es aber sowieso nicht leicht, er muss sich anhören, dass er zu zögerlich oder zu schweigsam ist, dass er eine beleidigte Leberwurst ist, dann bekommt er offene Briefe, er solle weniger Waffen oder auch mehr und schwerere Waffen schicken, er solle nach Kyiv fahren, das Datum wird ihm auch schon genannt. An dem Tag bekommt er aber Besuch von Macron, da gibt es direkt schlaue Ratschläge, die beiden sollten gemeinsam den Zug nehmen.
Ich hoffe tatsächlich, dass sich trotz allem seine rationale Seite als stark genug erweist und dass er sich auf echte Hilfe für die Ukraine konzentriert, nicht auf symbolische Handlungen.
By the way, ich finde es irre, einen Regierungschef in ein fremdes Kriegsgebiet zu schicken, wenn es doch Telefon und Skype gibt. So gesehen finde ich es ganz nett, dass Merz gefahren ist, denn der ist ja gerade nicht Bundeskanzler, echt. Schade wäre es um ihn trotzdem gewesen, denn am nächsten Tag war er wegen NRW-Wahlkampf in Kleve. Nette Fotos aus der Fußgängerzone, Merz mit ein paar Klever Rentnern. Was genau er dort wollte, war genauso unklar wie in Kyiv, aber wie er schon sagte, er kann ja hinfahren, wo er will. Die Schlagzeile war aber, dass er in Kleve eine Currywurst gegessen hat. Das hätte ich mir auch für Kyiv gewünscht, was hat er dort gegessen? Und hat es ihm geschmeckt?
Tags : Ukraine, Kyiv, Melnyk, Merz, Kleve, NRW, Scholz, Landtagswahl
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