• Totaler Krieg?

    Ich bin auch der Meinung, dass Putin ein hinterhältiger und brutaler Egomane und Diktator ist, weiterhin denke ich, dass er der größte Feind des russischen Volkes ist  und die Ukraine rücksichtslos in Schutt und Asche legt. Was genau will er dann aber mit dem Ruinenfeld anstellen und mit den Überlebenden?

    Soweit finde ich auch, dass man ihm den Geldhahn für seinen Krieg abdrehen muss und die Oligarchen dazu bringen sollte, sich gegen ihn zu stellen. Normale Menschen mit ihren Protesten haben wohl kaum Einfluss auf ihn.

    Möglicherweise gehen die getroffenen Sanktionen nun bereits über dieses Ziel hinaus und treffen die normale Bevölkerung, von Armut zu Elend. Kann man machen, im Vergleich zu den Ukrainern geht es den Russen dann noch gut. Aber mit Menschlichkeit hat das wenig zu tun und mit politischer Vernunft vielleicht auch nicht, denn diese Menschen werden sich nicht zwangsläufig gegen Putin wenden, vielleicht stärkt ihn das eher noch, wer weiß.

    Was ich aber besonders sinnlos finde, sind diese symbolischen Aktionen gegen einzelne Personen und die Kriegs- und Racherhetorik. Die Münchener Philharmoniker haben ihren Dirigenten entlassen, weil er sich nicht von Putin distanziert. Ja genau, im Dritten Reich haben die Leute sich natürlich öffentlich von Hitler distanziert, ganz ohne Angst vor Konsequenzen. Kommt mal runter von dem hohen Ross!

    Nun gut, so gibt es also keinen Stardirigenten mehr in München und Schröder hat keine Bürokräfte mehr, was soll's und wem hilft's. Schlimm finde ich allerdings die großmäuligen Sprüche mancher Politikerinnen und Politiker, die wirklich schaden, weil sie Verhandlungswege verbauen. Realistischerweise kann kein NATO-Land in der Ukraine militärisch eingreifen, wenn man keinen Weltkrieg beginnen möchte, also wird man wohl doch verhandeln müssen. Warum erzählt man dann, dass man die russische Wirtschaft ruinieren will? Klingt für mich wenig diplomatisch.  Gerade las ich in der New York Times, allerdings in englischer Übersetzung, dass der französische Wirtschaftsminister Russland den totalen wirtschaftlichen und finanziellen Krieg angedroht hat.

    Dmitry Medvedev, a former prime minister of Russia, responded with an ominous warning to a comment by France’s economy minister that Europe was going to wage “total economic and financial war” against Russia. Mr. Medvedev warned on Twitter: “Don’t forget that in human history, economic wars quite often turned into real ones.”

    Da klingt die Antwort aus Russland ja fast moderat. 

    Today, some French minister has said that they declared an economic war on Russia. Watch your tongue, gentlemen! And don’t forget that in human history, economic wars quite often turned into real ones
     

    Medvedev antwortet übrigens auf Französisch und Englisch, wahrscheinlich glauben die Russen auch, dass Franzosen nur eine Sprache kennen. Oder er spricht so gut Französisch, weil er so oft an der Côte d'Azur und in Monaco weilt. Weilte. 
    Egal, ich will jedenfalls keinen totalen Krieg und ich will auch keine politischen Aktionen, die man nach wochenlangen Verrenkungen und einer kompletten Kehrtwende in vier Tagen ausgebrütet hat und dann sofort ins Grundgesetz schreiben will, damit sie später nicht mehr geändert werden können. Habt ihr echt nichts gelernt aus eurem eigenen Hin und Her?

    PS: Bruno Le Maire hat es wirklich so gesagt auf France Info, "guerre économique et financière totale", und später bedauert, dass er den Begriff Krieg verwendet hat. Na, wenigstens folgt man sich im Radio und auf Twitter.

     

     


    Tags Tags : , , ,
  • Commentaires

    1
    Beurk
    Mercredi 2 Mars 2022 à 09:25

    Hat Medvedev vielleicht vergessen, dass der Krieg schon von Putin angezettelt wurde?  Ach ja, das ist ja kein Krieg, nur eine militärische Übung.

    2
    Le Misanthrope
    Jeudi 3 Mars 2022 à 21:30

    Oh, ich denke, die Drohung bezieht sich auf die Länder, die wirtschaftliche Sanktionen verhängen. Wie auch immer, wer von totalem Krieg redet, hat nicht nachgedacht. Wer nicht nachdenkt, besonders in einer so gravierenden Situation, sollte sich lieber nicht politisch betätigen. 

    3
    Vendredi 4 Mars 2022 à 21:11

    Mir wird nur ein bisschen schecht. Dass man die Lüpertz'sche Schmeißfiege des Oligarchen Schröder vorerst nicht in die hannoversche Kirche einsetzt, ist doch unzweifelhaft ästhetisch und politisch ein Gewinn? Beim Wiederaufbau von Mesoputinien kann man sie in eine der kaputt geschossenen Kirchen einsetzen... Und was soll Gergijew wohl bei dem von dir gewünschten Philharmonischen Comeback dirigieren? Zum Auftakt Tschaikowskis Mazeppa, 3. Akt, gefolgt von der 7. Sinfonie von Schostakowitsch vor der Pause. Nach ein paar Kaviar-Snacks und Krimsekt lauschen die Hörer dem 3. und 4. Akt von Prokofjews Oper Krieg und Frieden. Das Schmankerl am Schluss die Zugabe: Strawinskis Sacre du printemps 2. Teil - und als zweite Zugabe, wenn der bombige Applaus verebbt ist, noch der 10. Satz der Bilder einer Ausstellung von Mussorgsky.

    4
    Samedi 5 Mars 2022 à 11:11

    Schönes Konzertprogramm, die Idee für die Verwendung eines Kirchenfensters gefällt mir auch. Übrigens habe ich mir kein philharmonisches Comeback gewünscht, wo hast du das denn gelesen? Wie gesagt, einer geht nicht mehr ins Büro, eine singt nicht mehr, einer dirigiert nicht mehr, was soll's, mir ist das eigentlich egal, aber es nutzt der Ukraine genau nichts.
    In den letzten Tagen wird ja viel analysiert und zitiert, was Putin betrifft. Dabei gibt es zwei Dinge, die mir in Erinnerung geblieben sind. Er soll gesagt haben, dass er unterscheide zwischen Feinden und Verrätern, mit Feinden hat er wohl kein Problem. Natürlich definiert er offensichtlich selbst, wen er zu was zählt, der Umgang mit ihnen ist in beiden Fällen unerfreulich. So gesehen ist es halt blöd, wenn man sich von Putin distanziert, man muss sich auf der Straße dauernd umsehen und kann nicht mal mehr unbefangen ein Glas Wasser trinken. Das ist im Fall der RussInnen bestimmt eine starke Motivation. Im Falle Schröders ist es einfach Blödheit und Geldgier, aber wer weiß, er kennt den Mann ja auch persönlich. A propos Geldgier, ich finde es unerträglich, wie sich auf einmal so viele Funktionsträger die blauen Äuglein reiben und erklären, so etwas Böses hätten sie dem netten Herrn Putin nicht zugetraut. Ich weiß schon, dass Putin auch Teil eines Systems ist, aber doch schon das dominierende Element. Also sag ich mal einfach Putin als Pars pro Toto. Nun, dieser nette Herr Putin, der Karaoke singt, halbnackt durch die Landschaft reitet, Sport treibt und mit Geld und Medikamenten aller Art fördert, hatte daneben Zeit genug, in seinem Land die Meinungsfreiheit und echte Wahlen abzuschaffen, die Medien weitgehend gleichzuschalten, Nachbarländer stückweise zu besetzen, Tyrannen anderer Länder zu unterstützen und Verräter vergiften oder erschießen zu lassen. Ja nee, man konnte doch nicht ahnen, dass er die Ukraine überfallen würde, auch nicht, als er Panzer und Armeen an ihren Grenzen aufgefahren hat.
    Und nun ist man plötzlich aufgewacht, distanziert sich mit lautem Getöse, freut sich, dass das Gas bisher trotzdem fließt und verlangt nun von allen Russen einen Offenbarungseid? Das ist doch Hypokrisie pur, zudem führt es zu weiteren sinnlosen Spaltungen in der Gesellschaft bzw. den Gesellschaften.
    Was die sprachliche Seite betrifft, bin ich erstens allergisch gegen das vereinnahmende "Wir" wie in "Wir konnten doch nicht ahnen", außerdem gegen Begriffe wie "totaler Krieg", "ruinieren" oder offene Mordphantasien. Wir sind besser als Putin, aber wir wollen die gleichen Mittel einsetzen wie er?
    Deshalb können mir diese ganzen dämlichen Parolen und Aktionen gestohlen bleiben, statt immer weiter aufzuwiegeln, sollte man sich auf sinnvolle Maßnahmen beschränken, Krieg und Frieden betreffend. Andererseits könnte man sein Geld auch in Rüstungsaktien anlegen, bringt das gerade mehr als Gasimporte?

    Der zweite Punkt, der mir in Erinnerung blieb, war eine Anekdote, die Putin erzählt haben soll. Als Kind habe er mal im Keller eine Ratte mit einem Schläger verfolgt. Als er die Ratte in die Ecke getrieben hatte und sie keinen Ausweg mehr sah, sprang sie ihn an. Diese Ratte ist wohl eine Art Vorbild für ihn geworden. Und auch da soll keiner erzählen, man habe es nicht wissen können. Jetzt hoffen viele, jemand käme mit dem Schläger und würde die Ratte erledigen, aber das wird nicht passieren, eher springt uns die Ratte ins Gesicht. Ich vermute, die Russen wissen das, egal ob sie lieber nicht als Feinde oder als Verräter gelten möchten.

    Suivre le flux RSS des commentaires


    Ajouter un commentaire

    Nom / Pseudo :

    E-mail (facultatif) :

    Site Web (facultatif) :

    Commentaire :