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Die Vertreibung der Engel aus dem Paradies
Beim Kaffee lese ich gern online die Morgenpresse, sofern ich in die Artikel reinkomme. Die Rheinische Post ist da ein bisschen zickig und außerdem dermaßen überfrachtet mit Werbung, dass ich es lieber lasse, obwohl mich Nachrichten aus Kleve mehr interessieren als solche aus Bocholt. Na gut, zumindest am Wochenende bekomme ich den Newsletter "Total lokal", der mir heute Einblick in die Probleme zwischen Krankenhausleitung und ehrenamtlichen Helferinnen im Klever Krankenhaus gewährte. Bei der Gelegenheit erfuhr ich auch, dass die Leute am Informationsschalter "Blaue Engel" genannt werden, nie gehört, haben die sich das selbst ausgedacht?
Der größere Anfangsteil des Artikels berichtet darüber, wie toll die Blauen Engel seit 38 Jahren ihre Aufgaben erledigten, von denen aber keiner so recht weiß, welche das sind: "Fünf Tage in der Woche haben die Frauen, die sich selbst organisierten, sieben Stunden lang Wege gezeigt, Besorgungen erledigt, schon mal Patienten zur Behandlung gebracht und Besucherfragen beantwortet." Nun gut, das ist zwar nicht aussagekräftig, hört sich aber nett und harmlos an nach Beschäftigungstherapie für alte Frauen. Ein Mann ist auch ab und zu dabei, immer der gleiche. Ein Knackpunkt liegt darin, dass die Engel sich selbst organisieren, das heißt, sie machen alles nach eigenem Gutdünken und wann sie Lust haben.
Ich kenne das Klever Krankenhaus seit Jahrzehnten ganz gut, sogar ziemlich gut, zum Glück nur als Besucherin mit Kümmervollmacht um alle Formalitäten. Manches finde ich dort gut gelöst, einiges nicht, aber Verbesserungen sind deutlich. Und da kommt der letzte Teil des Artikels ins Spiel, in dem man etwas über die Argumente der Krankenhausleitung erfährt: "„Der Info-Desk hingegen muss eine Anlaufstelle, sein, die von Hauptamtlichen besetzt ist. Es handelt sich dabei um eine Kernfunktion, die eine gewisse Professionalität voraussetzt und bei der auch der Datenschutz berücksichtigt werden muss.“ In einer schriftlichen Stellungnahme nennt die Geschäftsführung zudem „gesetzliche Vorgaben zum Aufnahme- und Entlassmanagement“. Gewisse Daten dürften nicht Fremden zu Ohren kommen, der Betrieb müsse bei aller Sympathie für die Frauen ordnungsgemäß geführt werden."
So ist es, ich weiß gar nicht, wie oft ich mich schon über die alten Frauen geärgert habe, die hinter dem Infostand thronen und lauthals Namen und andere Details durch die Krankenhaushalle posaunen. Immer, wirklich ohne Ausnahme, Diskretion kennen sie nicht, mich ärgert sowieso schon, dass sie überhaupt an Daten herankommen. Besonders freundlich oder hilfsbereit fand ich sie übrigens auch nicht. Vielleicht haben andere Besucher sich dann doch mal beschwert, ich habe es immer runtergeschluckt. Natürlich passt es den Königinnen des Empfangs nicht, dass sie jetzt nur noch für bestimmte Aufgaben auf den Stationen eingesetzt werden sollen, da können sie nicht mehr so schön zusammenglucken und alles mitkriegen. Sie behaupten, sie seien nicht qualifiziert für Aufgaben auf den Stationen, dabei ist auch das nur Beschäftigungstherapie, sie würden wohl eher das Personal nerven: "Die Krankenhausleitung ist der Ansicht, dass die Blauen Engel, wenn sie sich doch zu einer Rückkehr an ihren (etwas anderen) Platz entscheiden sollten, mit Gesprächen oder kleinen Spaziergängen Sinnvolles zu tun hätten."
Ich glaube eher nicht, dass die meisten sich dazu herablassen werden, der Freizeitwert ist doch eher eingeschränkt und man bekommt längst nicht mehr alles mit. Ich weiß, das klingt herzlos und Ehrenamt ist toll, aber in dem Fall kann ich mich nur freuen, dass die Krankenhausleitung auch diese Baustelle geschlossen hat.
Tags : Kleve, Krankenhaus, Empfang, Blaue Engel
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Commentaires
Jepp, das kommt noch dazu, dass im Kontext Krankenhaus die Patienten alle möglichen Aussagen für qualifiziert und abgesegnet halten. Zum Labern haben sie doch eigentlich einen Priester, zumindest am Niederrhein, wo man ja nur katholisch kann. Also, meine Mutter fand das ganz nett, dass er sich lange Zeit für sie genommen hat und eben nicht über Krankheit geredet hat.
3SchwiegamuddipflegerSamedi 13 Juillet 2019 à 10:42Priester fände bzw. fand Schwiegarmuddi auch besser, zumal der mit seinem "Medikamentenkoffer" von ihrem Vorort herangebraust kam, das war in dem späteren Hospiz. - St. Spahn wird aber dafür sorgen, dass die blauen Engel, wenn's einst mit uns so weit ist, um das Bett herumstehen und uns mit in "leichter Sprache" formulierten Verfügungen zum Ankreuzen Trost zuwedeln, wie einst vordem die jesuitischen Beichtväter mit den vorformulierten Konfessionsänderungs- und Testamentsformularen zugunsten der Una Sancta.
Bei uns in Frankreich sind es "les dames roses" und der blaue Engel wird meines Wissens nach für Aktionen gegen den Alkoholismus eingesetzt, oder für andere Preventionsmassnahmen. Ganz schön angemessen , im Krankenhaus zu "engeln" und dann noch H. Mann zu plagiieren ;-)
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Im Mildred-Scheel-Hospiz der Uniklinik platzte ich grad rechtzeitig herein, als eine dieser Damen meiner - in ihrem Zustand nur schwach widerstrebenden - Schwiegermutter vorbarmte, sie möge ums Himmels willen alle Bestrahlungen und Chemos bis zum Ende mitmachen, damit "die Wissenschaft" vorangetrieben werde, die Nachwelt würde es ihr danken. Die Fremde blieb auch sitzen, während ich, als Angehöriger, stehen durfte, und sie trollte sich erst nach zunehmend deutlicher werdenden Bemerkungen, hier sei in meiner Person jetzt der richtige Krankenbesuch gekommen, sicher gebe es wirklich vereinsamte Patient/innen, die gerade jetzt nach ihr seufzen usw., also von mir aus hätte sie ganz wegbleiben oder jedenfalls die Chemo-Propaganda unterlassen müssen.