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Kalkar
Eine nette Kleinstadt am unteren Niederrhein, seit einer Kommunalreform im Jahr 1969 ist Kalkar sogar Hansestadt, weil es sich Grieth am Rhein einverleibt hat. Und weil der Rhein so schön nah ist und hier auch nicht so viele Leute leben, wenn man mal von den Niederländern auf der anderen Seite der Grenze absieht, plante man in Kalkar einen schnellen Brüter. Das ist so Tradition, Kernkraftwerke in Grenznähe zu bauen, damit im Falle eines Falles weniger Menschen mit der eigenen Nationalität verstrahlt werden.
Soweit so gut, nun waren diese wenigen Niederrheiner aber doch ziemlich aufsässig und wollten hier keinen schnellen Brüter, bei der großen Demonstration 1974 kamen dazu noch Tausende Niederländer, die auch nicht sterben wollten. 1977 fand die legendäre Anti-AKW-Demo mit 40 000 Teilnehmern und dem größten Polizeieinsatz in der Geschichte der BRD statt.
Nach vielem Hin und Her, Kostenexplosionen, Reaktorunfällen andernorts und politischem Umdenken wurde der schnelle Brüter zwar fertiggestellt, ging aber nie ans Netz. Jahrelang wurde die Technik noch in Schuss gehalten und konnte sogar besichtigt werden, ich habe viele Besucher dorthin begleitet und mir angehört, wie toll dieses Wunderwerk der Technik war.
Irgendwann hatte man wohl die Hoffnung aufgegeben, dieses Wunder seiner Bestimmung zuführen zu können. Also verkaufte man es, nicht für die Milliarden, die es gekostet hatte, sondern für etwa 2,5 Millionen Euro, nachdem man die Technik anderweitig verhökert und eingelagert hatte. Der Käufer war der Niederländer Hennie van der Most, der dort einen Gastronomiebetrieb mit Vergnügungspark, Restaurants, Hotel und Tagungsräumen einrichtete. Ich habe dort einmal einen Geburtstag mitgefeiert, weiß, dass es zu dieser Zeit sensationell günstig war, dort einen All-Inclusive-Tag zu verbringen, aber der Betoncharme eines Atommeilers ließ sich nicht verleugnen. Das Ensemble hieß zuerst Kernwasser Wunderland, vielleicht kamen durch den Namen aber Ängste auf bei potentiellen Besuchern, jedenfalls änderte der Name sich später in Kernie's Wunderland und schließlich in Wunderland Kalkar. Der Charme ist immer noch der eines Atomkraftwerks, obwohl man den Kühlturm mit einer Berglandschaft bemalt hat. So steht das Monster also in der schönen niederrheinischen Landschaft wie die deutschen Bunker an der französischen Atlantikküste und wird, wie uns einst versprochen wurde, tausend Jahre lang sicher sein vor austretender Radioaktivität.
Man muss schon ehrlich zugeben, das dieses Bauwerk in seiner Hässlichkeit und Sinnlosigkeit einen passenden und würdigen Rahmen bildet für den Parteitag der AfD, der an diesem Wochenende dort stattfindet trotz der Corona-Pandemie. Gerade wegen der Pandemie und Ansteckungsgefahr ist auch nicht mit vielen Demonstranten zu rechnen, einige hundert sind es aber wohl doch. Zum Glück kann man sowohl vor als auch im Brüter großzügig Abstand halten. Die Stadt Kalkar ist mal wieder in den Nachrichten und freut sich mal wieder nicht über die Publicity. Die Nachrichten zeigen ja auch nur die Gesichter von Gauland und Konsorten, nicht aber den wunderschönen Marktplatz von Kalkar oder die netten Örtchen Wissel, Grieth und was es sonst noch so gibt am Rhein. Das Ordnungsamt achtet streng darauf, dass die AfDler permanent ihre Masken tragen, was sie überraschenderweise tun, nachdem sie bei Gericht nicht durchgekommen waren mit einem Einspruch und ansonsten die Versammlung aufgelöst würde.
Überraschend ist für mich auch, wie offen die AfD ihre Zerrissenheit zur Schau stellt, schade wäre es ja nicht, wenn die Partei zerbröseln würde.Update: Auch am Sonntag bleibt es interessant. Zwar war es mir zu kalt, um einen Spaziergang am Rhein zu machen, aber gerade habe ich in der Wärme des Wohnzimmers gelesen, dass ein Antrag gegen Meuthen abgelehnt und Alexander Gauland mit dem Krankenwagen abgeholt wurde. Nein, kein Zusammenhang, der alte Mann ist wohl gefallen und in seiner Nase ist eine Ader geplatzt. Nur für Nasenbluten kommt eigentlich kein Krankenwagen, hoffentlich stirbt er jetzt nicht im Klever Krankenhaus. Dann steht das für immer in Wikipedia, nicht schön für Kleve.
Tags : Kalkar, Grieth, Rhein, Schneller Brüter, AfD, 1977
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Commentaires
2HelmaJeudi 3 Décembre 2020 à 09:57Es ist sehr schön, wieder Nachrichten aus der heimatlichen Nachbarschaft zu lesen. Kalkar ist einen Besuch wert! Vor allem mit lieben Freundinnen, aber bitte nicht bei Kernie!
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