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Notizen aus der Provinz
Kürzlich habt ihr mich als "Bocholterin" bezeichnet, nur weil ich das hiesige Müllentsorgungskonzept gelobt habe. Aber wenn schon Landei, dann bin ich bitte sehr ein Klever Ei.
Gestern war ich im Bocholter Stadtmuseum, zum ersten Mal überhaupt. Nein, ich bin keine Kunst- und Museumsverächterin, meine liebe Kollegin A. nennt mich sogar familienintern die "Kunst-Karin". Das soll wohl kein Kompliment sein, aber ich nehme es trotzdem so.
Gut, ich wäre auch in den nächsten Jahrzehnten nicht ins Stadtmuseum gegangen, aber ich habe mich kürzlich ein bisschen mit der Wandmalerei im Treppenhaus unserer Schule beschäftigt und erfahren, dass sie von Rudolf Esser, einem Bocholter Maler und Kunsterzieher, stammt und dort 1953 zur Eröffnung der Schule angefertigt wurde. Und im Stadtmuseum soll es Bilder von ihm geben. So ist es tatsächlich.
In einer langweiligen Mischung von Exponaten gibt es ein paar Perlen, so Originale von Israhel van Meckenem.
Viel interessanter als die Ausstellung fand ich jedoch die Menschen, die sich dort befanden. Um es gleich zu sagen, außer mir gab es keine Besucher. Das muss wohl der Normalzustand sein, denn als ich gegen 17 Uhr kam, fragte die Dame hinter der Kassentheke mich mit einem Tonfall zwischen barsch und erstaunt:"Kann ich Ihnen helfen?" Als ich sagte, ich wolle das Museum sehen, ging ihr Blick sofort zur Uhr an der Wand gegenüber. Aber da das Museum erst um 18 Uhr schließt, musste sie mir wohl eine Karte verkaufen. Danach wurde sie auch etwas netter und erklärte mir die Ausstattung der Stockwerke. Auch das Fotographieren erlaubte sie mir ausdrücklich.
Außer uns beiden gab es noch eine Dame, von der ich erst zu Hause am Internet begriff, dass sie wohl den Museumsshop betreut. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass der Raum ein solcher sein sollte. Und schließlich gab es noch einen alten Mann, der mit einem Telefonhörer an der Kassentheke stand. Das musste ein echter Bocholter sein, denn ich konnte sein Telefongespräch in voller Länge mithören, egal, wo ich mich befand. Bocholter sprechen extrem laut, finde ich.
Das Telefongespräch wurde also öffentlich geführt, und ich will es hier wiedergeben. Er rief nämlich die Polizei an, weil vor dem Stadtmuseum ein Auto mit Weseler Kennzeichen geparkt war, und zwar entgegen der Fahrtrichtung, zum Teil auf dem Radweg und das seit Stunden. Vier Straftatbestände, die ein schnelles Einschreiten der Staatsmacht erforderten. Die sträubte sich aber offensichtlich und stellte quengelige Fragen, wie aus seinen Antworten zu entnehmen war. "Ob er akut behindert? Das weiß ich jetzt nicht, aber er parkt entgegen der Fahrtrichtung." "Nein, das Kennzeichen kann ich hier vom Fenster aus nicht sehen, aber das sehen Sie ja, wenn Sie einen Wagen vorbeischicken." Schließlich wurde er ungehalten, betonte mehrmals die falsche Fahrtrichtung, die also offensichtlich das größte Vergehen darstellte, und drohte damit, in Zukunft nicht mehr anzurufen, wenn sich keiner um seine Beschwerden kümmerte. Autsch, das saß! Als er auflegte, regten er und die Kassendame sich noch eine ganze Weile lautstark darüber auf, dass die Polizei keine Lust habe, am Sonntag zu arbeiten und gefähliche Verbrechen wie das Parken gegen die Fahrtrichtung mit Weseler Kennzeichen zu ahnden.
Später sah ich vom ersten Stock aus auf die Straße und entdeckte dort einen Kleinwagen mit Weseler Kennzeichen, der in Fahrtrichtung so parkte, dass seine Reifen den Radweg nicht berührten. Entweder hatte der alte Mann also nicht die Fahrtrichtung erkannt, oder die Polizei hatte den Fahrer gefunden und ihm empfohlen, sich so umzuparken, dass er keine Regeln verletzte, aber den Hilfssheriff des Stadtmuseums dennoch ärgern konnte.
Tags : stadtmuseum, bocholt, parken
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Commentaires
Oder sie müssen gerade so schreien, weil es auf dem platten Land kein Echo gibt? Keine Ahnung, jedenfalls erfahre ich im Sommer alles über meine Nachbarn, wenn ich draußen sitze. Nicht, dass mich das irgendwie interessieren würde, aber ich kann halt den Ton nicht abstellen. Ich habe mal bei einer Abiturprüfung eine Studierende gebeten, nicht so laut zu sprechen, das konnte sie überhaupt nicht einordnen und fragte, ob ich sie nicht verstehen würde.
Andererseits kann man auch parken, wie man will, wenn einem erst mal die Stadt gehört. Das passiert zur Zeit in Kleve. Ein ortsansässiger Millionär (mit Schweizer Kennzeichen!) kauft sich stückweise die Stadt und einen Teil ihrer Bewohner, um alles mit herrlichen Bauprojekten zu sanieren. Wer braucht schon den Blick über den Kermisdal zur Schwanenburg, wenn man dort attraktive Wohnblocks mit unverbaubarem Blick auf den Kermisdal (!) hinstellen kann. Ja, und dann parkt man seinen nicht so kleinen Wagen mit Schweizer Kennzeichen so, dass ihn keiner übersehen kann.
Die Klever kriegen höchstens einen Gnadenerlass, wenn sie nach Mekkevelaer pilgern. Wer in Bocholt die Knöllchen verteilt, kommt auch so in den Himmel:
<http://www.azonline.de/lokales/kreis_borken/bocholt/1322964_Allgemeine_Zeitung_Bocholt.html>
Wäre auch ein schöner Untertitel für die Meckenhem-Grafik. "Serbische Politesse rückt Bocholtern. die ihren Drachen auf dem Autoparkplatz abstellen, mit dem Regenschirm zu Leibe!"
Na, der Klever mit dem dicken Schlitten kommt sicher nicht in den Himmel, denn eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr. Und in Kevelaer würden sie ihn bestimmt abschleppen, wenn er sich vor die Wallfahrtskirche stellt. Ein Kommentator auf dem Kleveblog zitiert übrigens Kurt Huch:
“Im Rausch gezeugt – maliziös wie der Teufel”
Die Klever im Urteil ihrer preußischen Landesherren.Wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden.
Ich betone, dass ich zwar Kleverin bin, aber mit schlesisch-ruhrgebietlerischem Migrationshintergrund. So, und nun fahre ich in meine geliebte Heimatstadt und schaue nach, was sie in den letzten Tagen wieder gebaut haben.
9WipkeMardi 16 Novembre 2010 à 16:32sehr schön, das böse Weib!
wenn ich könnte, wie ich wollte, hätte ich auch öfter die Hosen an
10Oller FritzMercredi 17 Novembre 2010 à 10:03...dass die Klever im Rausch gezeugt wind, steht im politischen Testament Friedrichs des Großen von 1752, hab ich Dir auch schon mal zitiert, aber jetzt komm ich an kein Buch dran
Ja, ich hatte das auch im Kopf, dass es Friedrich war, aber sicher war ich mir nicht mehr. Aber er musste es ja wissen, er war ja da.
14HuchMercredi 17 Novembre 2010 à 18:11Kurt , ein alter frankophiler Philosophiekollege ...
hat einen seiner Söhne Henri genannt, aus Freundschaft zu einem Franzosen
15LebensweisheideJeudi 18 Novembre 2010 à 08:59Und was ist mit dem Liebesrausch? Bzw., was wäre denn die Alternative? Werden "stocknüchtern" gezeugte Kinder musterhafte Beamte und müssen im Brandenburgischen versauern?
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Die Bocholter können ihre Stimmstärke wohl nicht einschätzen, weil der Nebel auf den Kuhweiden so weit trägt? - Und in Hürth wohnt auch so einer, das war mein erstes Knöllchen seit Jahren: stehenden Fußes gegen die Verkehrsrichtung verstoßen! dafür rückt die - außer an Halloween - wohl unterbeschäftigte Polente hierzulande sogar nachts an.
<http://www.faz.net/s/Rub91CEC4693F434CF6B91E1C8ED47F60F8/Doc~E02DA2CEE496E4DABBB60DA8CEED3A4CF~ATpl~Ecommon~SMed.html#B1FFC80763D54D0C9BA8D44BB35A4204>