• Textbausteine - 6. Akt

    Textbausteine – Ein Fortsetzungsdrama mit ungewissem Ausgang©

     6. Akt (Aristoteles möge mir vergeben!)

    BerlinBundestagskantine am Tag nach Guttenbergs Anhörung im Parlament. Annette Schavan und Horst Seehofer sitzen an einem runden Tisch und essen Eintopf.

    Schavan: Nun, Herr Professor Doktor Seehofer, was denkst du, kommt er aus der Nummer raus? Du bist doch Spezialist für Nummern.

    Seehofer: Man kommt aus jeder Nummer raus, wenn man nur ein bisschen clever ist. Da liegt aber wohl das Problem.

    Schavan: Ich versteh das nicht, ihr habt doch in Bayern angeblich die schlauesten Schüler und die besten Testergebnisse, aber eure Politiker wirken immer ein bisschen dümmlich. Anwesende ausgenommen.

    Seehofer: Danke. Aber in Bayern sind die Kriterien für Politiker halt andere. Die Leute wollen entweder mit dir saufen oder sich vor dir verneigen können. Adel ersetzt Weißbier. Das hatte der Guttenberg eigentlich ganz gut im Griff.

    Schavan: Warum dann noch die Dissertation?

    Seehofer: Er wollte Bundeskanzler werden, und da musst du auch außerbayrische Kriterien erfüllen. Bisher sind alle bayrischen Kandidaten gescheitert, weil sie Bayern waren.

    Schavan: Das kann er jetzt knicken.

    Seehofer: Jepp. Und Landesfürst in Bayern wird er auch nur über meine Leiche.

    Schavan: Dabei hätte er doch einfach nur der Universität von Kabul einen kleinen Betrag spenden müssen und hätte einen Dr. h.c. bekommen, vielleicht auch eine Professur. Alles wäre legal gewesen.

    Seehofer: Willst du mich provozieren?

    Schavan: Na ja, ich hab schließlich selbst geschrieben. Meine Dissertation bekommt der Guttenberg übrigens mit Schleifchen als Geschenk überreicht, auf dass er an der Lektüre wachse: "Person und Gewissen - Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung".

    Seehofer: Sehr witzig. Aber bisher hast du auch noch keine klaren Worte gefunden zur Gewissenlosigkeit in der Wissenschaft.

    Schavan: Es ist so kompliziert. Hat er der Uni Bayreuth nicht auch Geld gegeben?

    Seehofer: Das hätte er besser in Kabul angelegt. Wäre auch billiger geworden.

    Schavan: Ich halte ihm zugute, dass er den Wissenschaftsstandort Deutschland stützen wollte.

    Guttenberg (nähert sich mit seinem Tablett): Hallo, ich höre positive Worte über meine Person, das passiert nicht mehr so oft. Ist hier noch ein Platz frei?

    Schavan: Sicher, setzen Sie sich!

    Guttenberg: Diese ganzen Anhörungen schlagen mir auf den Magen. Ich habe mich deshalb für mageren Fisch mit Reis und gedünstetem Gemüse entschieden. Und ein Gläschen Champagner, um die Laune zu bessern.

    Seehofer: Schön, dass Sie so pragmatisch mit der Situation umgehen.

    Guttenberg: Ach, bei dieser Anhörung gestern waren ja keine hochrangigen Politiker anwesend. Manche Zeitungen halten das für ein gutes Zeichen. Also dass die Affäre damit zu den Akten gelegt ist.

    Seehofer: Oder die Ratten verlassen das sinkende Schiff.

    Guttenberg: Meine Umfrageergebnisse sind nach wie vor gut. Und wenn Sie meine Kabinettskollegen als Ratten bezeichnen, liegen Sie voll im Trend. Bald redet niemand mehr über meine Dissertation, weil alles gesagt ist und man sich neuen lohnenden Zielen zuwendet. So ist zum Beispiel die Kollegin Schröder bereits im Gespräch.

    Schavan: Auch Minister haben ein Recht auf faire Verurteilung.

    Seehofer: Ich habe da vorhin einen Witz gehört. Warum will Ursula von der Leyen nicht mehr neben Guttenberg sitzen? Weil der immer abschreibt.

    Guttenberg: Es war sehr nett, mit Ihnen zu plaudern. Ich muss dann mal wieder. Ich ertrage den Geruch von Eintopf so schlecht.

    Seehofer: Wir wollten eigentlich auch gerade gehen. Wie sieht es aus, Annette, hast du heute Abend schon was vor?


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  • Commentaires

    1
    Vendredi 25 Février 2011 à 16:04

    ich werde Sören dein Stück empfehlen!!

    Sein Hirn raucht auch, denn er bereitet eine Aufnahmeprüfung in Lille, Paris oder Lyon vor, im "IEP" !

    Kannst du mir mal sagen/schreiben, was sonst noch so alles in den letzten Monaten in Deutschland wichtig war?

    Der Wutbürger  (doch wohl wg Stuttgart 21) und Guttenberg , da fehlen doch bestimmt ein paar Themen, oder?

    2
    never-ending
    Vendredi 25 Février 2011 à 18:04

    Wollt' grad sagen, das kann doch noch der Schluß nicht sein

    @hnord: Hartz IV, Schnee-Chaos (vor allem bei der Bahn), die Verlängerung der KKW-Laufzeiten, Dioxin in Eiern, und und und

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    3
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Vendredi 25 Février 2011 à 21:20

    Aber nein, das ist noch nicht das Ende. Solange der Stuhl wackelt, weiß man nicht, ob er am Schluss umkippt oder dann doch stehen bleibt. Das möchte ich nicht verpassen. Oder ich lass ihn einfach umkippen, wenn das Gehampel zu lange dauert. Aber natürlich wortreich...

    4
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Vendredi 25 Février 2011 à 21:27
    5
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Samedi 26 Février 2011 à 12:28

    @hdor: Gerade lese ich, dass die Bildzeitung auch mal wieder ein Thema ist. Ich bin durch den Blog von Misanthrope darauf gestoßen. Es gibt hier eine Webereihe für BILD, die öfter auch im Fernsehen läuft. Irgendwelche hohlen Promis sondern Sprüche zu Bild ab, mitunter soll das sogar kritisch wirken. Nun hat Judith Holofernes der maßgeblichen Werbeagentur geschrieben, warum Wir sind Helden sich nicht äußern möchte. Die satirisch gemeinte Antwort darauf kannst du getrost vernachlässigen, total verschnarcht und kein bisschen witzig. Aber der Brief von Holofernes ist brillant.

    6
    Samedi 26 Février 2011 à 17:11

    ja, von Wir sind Helden habe ich schon gehört und auch einige CDs, und eher Gutes, danke für den Link, das werde ich gleich mal lesen.

    7
    Samedi 26 Février 2011 à 19:36

    Obzwar die Band nicht mein Fall ist und die Dame sonst ja auch ganz gern an jeder Promie-Mülltonne *) riecht wie alle diese Starlets, ja, stimmt: der Brief ist gut.

    *) Judith Holofernes: Mir ist erst mal schlecht geworden, als die Einladung kam: Oh Gott, ich muss zu Harald. Denn in erster Linie finde ich den Schmidt ja toll, weil er so anarchomäßig mit seiner Sendezeit umgeht. Aber man denkt schon daran: Was passiert denn jetzt?

    8
    Samedi 26 Février 2011 à 20:49

    Und die Antwort von Matt & Jung ist auch nicht schlecht. Und das Beste daran: keiner hat gemerkt, dass sie ein fake der "jetzt"-Redaktion der Süddeutschen ist.

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